DOM UND MÖNCHSKIRCHE

FOTOS VON KÖLN UND ALTENBERG / 5. Nov. bis 29. NOv. 2016

Stille Sensationen - Köln und Altenberg in den Fotografien Eckard Alkers

Weniger bekannt als seine Gemälde und Grafiken sind Eckard Alkers fotografische Arbeiten, obwohl er seit circa 25 Jahren kontinuierlich mit der Kamera künstlerisch arbeitet und die Ergebnisse seit vielen Jahren in etlichen Präsentationen vorgestellt hat. Ausstellungen wie „Nächtliche Halluzinationen“ in der Galerie am Markt in Porz (1998) oder „Kleine Landschaften“ in der Werkstatt-Galerie Tam Uekermann in Köln (2005) oder die Schau „Gäste am schwarzen Tisch“ ein Jahr später hier im Kulturhaus Zanders sind vielleicht noch in Erinnerung. Sie machten zusammen mit vielen anderen kleineren Ausstellungen zweierlei eindrücklich klar: Erstens: Alker ist nicht nur Maler und Graphiker, sondern gleichermaßen auch Fotograf mit einer unverkennbaren, ganz eigenen Handschrift. Zweitens: Zwei Motive spielen in allen von ihm eingesetzten Techniken eine herausragende Rolle, nämlich der Kölner Dom und der Altenberger Dom. 

Diese beiden architektonischen Wahrzeichen – Bischofskathedrale in der Großstadt und Mönchskirche auf dem Land – markieren die quirlige Rheinmetropole und das eher stille Bergische Land als die prägenden Lebenszentren des Künstlers. Hier lebt er; hier findet er seine Inspiration, hier steht die Wiege seiner Kunst. Immer wieder hat Alker diese beiden Stein gewordenen Zeugnisse tiefen Glaubens und kühnen Wagens dargestellt. Seine bis heute anhaltende künstlerische Auseinandersetzung mit Geist und Form der Gotik lässt sich lückenlos bis in die frühen 1980er Jahre zurückverfolgen. 1981 erschien eine Radierung, die beide Dome auf den aufgeschlagenen Seiten eines Buches zeigt. 2009, fast dreißig Jahre später, legte Alker drei Digital-Prints zur 750. Wiederkehr der Grundsteinlegung des Altenberger Domes vor. Eine von diesen mit Ölfarbe überarbeiteten Drucken trägt den vielsagenden Titel: „Viele Augen sehen anders“. Um dieses „andere Sehen“ geht es Alker offenbar auch in den 66 Fotografien, die nunmehr im Kulturhaus Zanders zu sehen sind. Sie bilden keine von vorneherein geplanten Zyklen. Vielmehr handelt es sich um eine aktuelle Auswahl von über mehrere Jahre entstandenen Aufnahmen. 24 Bilder zeigen den Kölner, 42 den Altenberger Dom. 

Kann man diesen millionenfach, nicht erst von den Romantikern dargestellten Motiven künstlerisch überhaupt noch etwas abgewinnen? Gibt es, nachdem Abbilder des Kölner Domes selbst Bierflaschenetiketten und Todesanzeigen zieren, überhaupt noch etwas zu entdecken? Haben international renommierte Maler und Lichtbildner, Ansichtskarten und sonstige Hervorbringungen unserer universalen, bis in trivialste Niederungen vordringenden Bildkultur nicht schon alles Erdenkliche gesagt? Diese Skepsis ist gewiss nicht unberechtigt. Und doch gelingt es Alker, uns vor Augen zu führen, dass Vieles noch nicht gesehen worden ist und nur darauf wartet, von uns entdeckt zu werden. Wir müssen uns eingestehen, dass unsere Wahrnehmung durch die Traditionen kulturell definierten Sehens festgelegt und entsprechend eingeengt ist. Die vorgefundenen Bildmuster anderer schieben sich zwischen uns und die Wirklichkeit, wobei nicht Kanonisiertes übersehen bzw. unbewusst ausgeblendet wird.

Alker hat anfänglich mit einfachsten Fotoapparaten gearbeitet, wie sie Amateure zum „Knipsen“ von Urlaubsfotos verwenden. Erst seit etwa sechs Jahren fotografiert er digital, ohne dabei auf professionelles Equipment zurückzugreifen. Er bearbeitet seine Fotos nicht; die Ausdrucke – Farbe und Schwarzweiß halten sich die Waage – werden von einem Fachlabor gemacht.
Die Bilder, die er uns präsentiert, sind also weder geschönt noch in irgendeiner Form verändert. Sie dokumentieren ungewöhnliche Ausschnitte aus einer vorgefundenen Wirklichkeit, ungefiltert und ohne Manipulation, wenn man einmal von der Festlegung des Bildausschnittes absieht. Alker benutzt den Fotoapparat nicht – wie andere Maler - als
Skizzenbuchersatz, wenn auch nicht zu übersehen ist, dass der Maler Alker von dem Fotografen Alker vielfältig profitiert. So ist zum Beispiel die Figuration bestimmter Schatten hier wie dort ähnlich. Aber im Großen und Ganzen betrachtet Alker die Fotografie schon als ein eigenständiges Medium mit speziellen Möglichkeiten und einer autonomen Bildsprache, die vor allem ein sekundenschnelles Notieren eines rasch vergänglichen optischen Befundes ermöglicht.
Alker sucht seine Motive nicht, er findet sie. Er ist nicht an dem sich im Unendlichen verlierenden Bauschmuck des Kölner Domes interessiert. All diese Kreuzblumen, Kapitelle, Dreipässe und sonstigen architektonischen Köstlichkeiten an diesem Wunderwerk der Gotik fesseln ihn weniger als seine Spiegelbilder auf den Fensterfronten der umgebenden Baulichkeiten oder auf den nassen Steinplatten der Plätze. Es fasziniert ihn, wie das Sonnenlicht dieses massive „Steingebirge“ in ein vergängliches, filigranes Schattenbild verwandelt, das zwar immateriell, aber nicht weniger wirklich ist als der Bau. Er hält fest, wie sich in Fenstern und Türen durch die Überlagerung mehrerer Spiegelbilder verschiedene Grade der Unschärfe oder auch verblüffende Deformationen ergeben. Er entdeckt den Dom als splittriges oder auch wellig bewegtes Gebilde, das mitunter mit anderen Gebäuden der Umgebung zu einer Reflexion zu verschmelzen scheint. Alker nimmt diese von den meisten vorbeihastenden Menschen übersehenen Funde in sich und seinen Fotos auf. In der Zusammenschau bilden sie eine empfindsame Welt, in der die Poesie des Nebensächlichen für stille Sensationen sorgt.
Während die Fotografien des Kölner Domes hauptsächlich in der unmittelbaren Umgebung des Domes entstanden, also Außenaufnahmen sind, zeigen die Bilder von Altenberg hauptsächlich den Innenraum der streng-klaren Zisterzienserabtei. Vor allem interessiert Alker hier das Zusammenwirken von Architektur und Licht. Präzis geschnittene Bögen und glatte, reflektierende Wandflächen werden in Kontrast gesetzt zu dem weich zeichnenden Dämmerlicht im Blattwerk der Kapitelle. Alte Grabmäler, Altargerät und ihre Details werden entdeckt und durch das alles umschließende Licht mit dem Raum vereinigt. Alker spürt der Lichtmystik dieses Raumes nach, indem er aufzeigt, wie das Ganze und seine Teile zueinander stehen. Er versucht damit, ein intensives, intimes Raumerlebnis zu vermitteln.

Dr. Wolfgang Vomm