ECKARD ALKER – STLLER WANDERER

Jane Holtewert über die Druckgrafischen Arbeiten Eckard Alkers aus der Schenkung Metzen

„Bedeutung entsteht, wenn zwei Dinge zusammenkommen, egal ob Worte oder Bilder. Wenn man sie nah genug zusammenbringt und es eine Synapse gibt, wird etwas Neues kreiert und aus zwei Bedeutungen generiert sich eine dritte.“
(Nach John Baldessari, 2014)

Die Schenkung von Marita und Karl Josef Metzen umfasst rund 250 druckgrafische Arbeiten, darunter acht Mappenwerke und einzelne Fotografien des Künstlers Eckard Alker aus den Jahren 1960 bis 2016. Die Radierungen, (Offset-) Lithographien und bearbeitete Digitalprints, vermitteln einen umfangreichen Überblick über seine künstlerische Entwicklung und herausragende, drucktechnische Meisterschaft.
In ihrer Auswahl ermöglicht die durch das Ehepaar Metzen über Jahre, im engen persönlichen Kontakt mit dem Künstler, zusammengetragene Sammlung zudem einen guten Einblick in die Entstehung der außergewöhnlichen Motivwelten des Künstlers.

Das physische und geistige Material für seine künstlerisch kreierten Welten findet Eckard Alker auf zahlreichen Streifzügen durch seine Heimat, das Bergische Land, und dessen nähere Umgebung. Den Künstler, ein leidenschaftlicher Wanderer, zieht es dabei durch die ihn immer wieder aufs Neue faszinierenden Landschaften, in die angrenzenden Großstädte, zu bestimmten Orten und architektonischen Besonderheiten. Das wiederholende Betrachten des stets Gleichen und mutmaßlich Beständigen, reizt den Künstler dabei besonders. Gerade auch in dessen Darstellung sucht und findet Eckard Alker seine Herausforderung, neue Bedeutungsebenen zu schaffen.
Eckard Alker streift aber nicht nur durch seine physische Umgebung, sondern im übertragenen Sinne auch durch die Kunstgeschichte, die Literatur, durch Zeitschriften, die Musik und, im Besonderen, immer wieder rückblickend durch sein eigenes Œuvre, seine eigenen Bilder, Erfahrungen und Erinnerungen.
Aus diesen, auf den Wanderschaften zusammengetragenen Fundstücken und Inspirationen, lässt er in seinen finalen Arbeiten subtile, surreal verfremdete Welten entstehen, die den Betrachter in ihren Bann zu ziehen vermögen.

Auffallend oft begegnet man darin, abgesehen von Eckard Alkers Serien und Mappenwerken, vielen der von ihm verwendeten Motive häufiger als einmal. Darunter seien exemplarisch Papierschwalben, Landschaften, Wolken, Fenster, Tische, Silhouetten oder menschliche Schatten zu nennen.
Durch die künstlerisch bewusst gewählte Vorgehensweise der Wiederholung, wirken die Bilder meist schnell vertraut, obwohl sie gleichzeitig ein befremdliches Gefühl vermitteln und den Betrachtenden bei genauerem Hinsehen eines Besseren belehren. Dieses Konzept, das sich durch das gesamte Schaffen Alkers zieht und sich nicht im Geringsten nur auf die hier im Mittelpunkt stehenden Arbeiten beschränkt, manifestiert sich auf zwei verschiedene Wege: Der Erste wird bestimmt durch den regelmäßigen Einsatz gleichartiger Motive in unterschiedlichsten Szenerien. Der Zweite kennzeichnet sich in der direkten Wiederverwertung bereits bestehender Motive, die als Collage zu neuen, eigenständigen Werken zusammengesetzt werden.
Während der erste Weg in allen vom Künstler verwendeten Medien Anwendung findet, lässt sich Letzterer vor allem in den graphischen Arbeiten erkennen, vorzugsweise in den Radierungen und später in den Digitalprints, von denen die Sammlung Metzen einige aussagekräftige Beispiele vorweist.

In den 1980er Jahren schafft Eckard Alker eine Vielzahl von Radierungen mit teilweise surrealistisch anmutenden Bildwelten. Darunter sei neben den Arbeiten Spielgefährte (1986), Papierschwalbe (1988), Nebenräume 1 (1981) und Ein Kinderspiel (1988), in denen uns bereits die oben erwähnten Motive erscheinen, beispielhaft das Werk Mondlichtung (1985) zu nennen. Hier begegnen wir einer, im Verhältnis zur gesamten Darstellung überdimensional großen Leinwand, die sich in der bergigen aber ansonsten kahlen Landschaft verkeilt zu haben scheint. Im Hintergrund erstreckt sich der dunkle Nachthimmel bei Vollmond. Eine Papierschwalbe überfliegt das Geschehen und wirft seinen Schatten vor die Leinwand, auf die in Anlehnung an die Umgebung Berge sowie eine darüber schwebende dunkle, kreisrunde Form dargestellt wurden.

Den oberen Teil dieser Radierung, finden wir auf einer Arbeit mit dem Titel Ein Gruß aus den Bergen (1999) wieder. In Kombination mit drei anderen Teilmotiven und einer neuen Farbwahl, schafft Eckard Alker ein komplett eigenständiges Werk mit anderer Stimmung und neuen Bedeutungsebenen. Der uns schon bekannten Leinwand begegnen wir hier in einer andersartigen Umgebung, einer Wüstenlandschaft mit architektonischen Fragmenten und schwarzen, kreuzförmigen Linien nebst einem kleinen Papierflieger und Wabenstrukturen.
Eine ähnliche, technische Vorgehensweise, lässt sich an den anderen, oben genannten Werken nachvollziehen, von denen sich ebenfalls Teilelemente in Arbeiten aus den 1990er Jahren wiederfinden, zum Beispiel: Der Dom im Grünen (1996), Stiller Wanderer (1991), Gleich im Bergischen (1999), Bergische Begegnung (1991), Kleiner Wanderer (1991), Vor dem Meer (1991).

Genauer gesagt bedient sich Eckard Alker hier dem Prinzip der Collage, einem Begriff der von dem französischen Schriftsteller und Surrealisten André Breton geprägt und dessen Technik bereits seit Kubismus und Dadaismus bis heute rege künstlerische Anwendung findet. Übersetzt bedeutet Collage Klebebild (von franz. „coller“ = kleben) und beschreibt damit, verschiedenste flache Elemente wie ausgeschnittenes Papier, Fotos und Zeitungsartikel, die miteinander kombiniert und auf einen Träger aufgeklebt, ein neues Ganzes ergeben.

Max Ernst (1891-1976), Vertreter des Dadaismus und Mitbegründer des Surrealismus, definierte Collage 1962 wie folgt: „Collage-Technik ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene - und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt.“ Eckard Alker überträgt diese Vorgehensweise in experimenteller Weise auf die Druckgrafik und bedient sich dabei interessanterweise vor allem aus seinem eigenen Œuvre. Alle letztgenannten Werke entstanden, indem der Künstler die jeweiligen Radierplatten der Arbeiten aus den 1980er Jahren nach dem Druck der festgelegten Auflage nicht wie üblich unbrauchbar gemacht, sondern bewusst „recycelt“ hat. Er schneidet dabei Teilstücke aus bestehenden Platten heraus, um sie anschließend in einem neuen Druck wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen.
Vorrangig zwei, manchmal aber auch drei bis vier Fragmente werden hierfür verwendet. Bevor Eckard Alker die Platten zerschneidet, legt er vorab die neue Position der einzelnen Stücke in der Gesamtkomposition genau fest. Wie bei einem Puzzle lassen sich die Schnittkanten anschließend entweder genau aneinander legen oder bilden in ihrer Anordnung gänzlich neue Motive (Besuch im Schloss, 1991). Durch den Druck der Platten auf das Papier entstehen an diesen Stellen leichte Erhebungen, die einer Prägung nicht unähnlich sind und dem Werk eine besondere Haptik verleihen. In einigen Arbeiten überwindet der Künstler aber auch die Grenzen der traditionellen Radierplatte, indem er durch die Art der Anordnung der Elemente neue Formate abseits von Quadrat und Rechteck entstehen lässt (Bergischer Wetterwechsel, 1996).
In einer fast spielerischen Art und Weise werden die Motivelemente Alkers also letztendlich immer wieder aufs Neue arrangiert, mit anderen Motiven konfrontiert sowie in eine andere räumliche und zeitliche Situation platziert. Zusätzlich werden Formen, Farben und Strukturen jeweils neu kombiniert bis zuweilen abstrakt wirkende Werke entstehen. Dies eröffnet dem Künstler stets andere Möglichkeiten, um Spannungen zwischen den abgebildeten Realitäten hervorzurufen. Das ist ihm ebenso wichtig, wie der Wunsch, dadurch beim Betrachter neue und durchaus verschiedenartige Reize auszulösen oder - in Anlehnung an das Zitat von Max Ernst – „einen Funken“ überspringen zu lassen.

Nicht zuletzt ermöglicht diese Arbeitsweise Eckard Alker eine direkte Konfrontation des eigenen Werkes. Indem der Künstler Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen kombiniert und einander gegenüberstellt, kann er seine früheren Entscheidungen hinsichtlich Inhalt, Form und Farbwahl immer wieder kritisch
hinterfragen.

Die jüngeren, digitalen Arbeiten Eckard Alkers, die in die Auswahl der oben genannten manuellen Drucke mühelos einzureihen sind (Altenberg Blatt, 2006; Ganz weit weg, 2015; Ein handliches Stück Landschaft, 2004; Bergische Landschaft 11, 2006; Beobachtung von Spuren, 2003) belegen, dass sich das oben beschriebene Prinzip der Wiederverwendung von Motiven in stets neuen Konstellationen durch sein gesamtes Schaffen zieht. Somit kann die Technik des Eigen-Zitats als entscheidendes Moment seiner künstlerischen Praxis angesehen werden.